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Abwasserwärmenutzung

Heiz­en­er­gie aus dem Ab­was­ser­ka­nal: Wär­me­tau­scher-​Ein­bau bei gleich­zei­ti­ger Ka­nal­sa­nie­rung

VON DR. DIRK SCHÖN­ROCK

Aus­gangs­punkt des ge­sam­ten Pro­jek­tes des In­ge­nieur­bü­ros Golükes In­ge­nieu­re GmbH & Co. KG war die ohne Vor­war­nung er­folg­te Kün­di­gung des Miet­ver­tra­ges für das be­ste­hen­de Bü­ro­ge­bäu­de in Mühl­tal-​Trai­sa durch den da­ma­li­gen Ei­gen­tü­mer der Lie­gen­schaft im Oktober 2012. Golükes In­ge­nieu­re wollten in Mühltal an­säs­sig bleiben, nicht zuletzt weil rund ein Drittel der Be­leg­schaft im Ort wohn­haft ist. Eva­lua­tio­nen haben ergeben, dass zu diesem Zeit­punkt keine ad­äqua­ten Miet­flä­chen für das In­ge­nieur­bü­ro in der Ge­mein­de an­ge­bo­ten wurden. Daher haben sich die drei Inhaber Gerhard Schnei­der, Thomas Stange und Axel Schön­rock für einen Neubau ent­schlos­sen. Nach in­ten­si­ver Suche unter einem extrem hohen Zeit­druck auf­grund des nicht weit ent­fern­ten Kün­di­gungs­ter­mins, fiel die Wahl auf ein bisher ge­mein­de­ei­ge­nes Grund­stück in der Rhein­stra­ße im Mühl­ta­ler Orts­teil Nie­der-​Ram­stadt. Eine der Kauf­be­din­gun­gen war, dass die Bau­leit­pla­nung für das 3347 Qua­drat­me­ter große Grund­stück voll­stän­dig durch Golükes In­ge­nieu­re ver­an­lasst werden musste. Dies geschah unter großer Mit­hil­fe von Mühl­tals Bür­ger­meis­te­rin Dr. Astrid Mannes (CDU), allen po­li­ti­schen Frak­tio­nen und der Ver­wal­tung.

Hauptsammler im Grundstück

Bei der Lage der Lie­gen­schaft ergab sich der Zufall, dass quer über das Grund­stück der Haupt­samm­ler des Ab­was­ser­ver­ban­des Modau in Rich­tung der in nur 500 m Ent­fer­nung nahe ge­le­ge­nen Klär­an­la­ge in Nie­der-​Ram­stadt führte. Dies machte die Er­schlie­ßung der Fläche als Bauland wenig at­trak­tiv, denn die Er­schlie­ßungs­kos­ten für die Ge­mein­de wären durch den Haupt­samm­ler enorm ver­teu­ert worden. Das Grund­stück war also seitens der Ge­mein­de nur ein­ge­schränkt als Bauland für Woh­nun­gen ver­wert­bar. So ergab sich für das In­ge­nieur­bü­ro Golükes In­ge­nieu­re und die Ge­mein­de Mühltal eine win-​win-​Kon­stel­la­ti­on. Zudem konnte die Ge­mein­de durch den Verkauf eigenen Per­so­nal-​ und Sach­auf­wand in der Ver­wal­tung be­züg­lich Er­schlie­ßung des Grund­stü­ckes voll­stän­dig ein­spa­ren. Bereits im De­zem­ber 2012 wurde das Grund­stück für 240.000 Euro an Golükes In­ge­nieu­re ver­kauft. Der Preis er­rech­ne­te sich aus dem derzeit gül­ti­gen Bo­den­richt­wert ab­züg­lich der zu er­war­ten­den Er­schlie­ßungs­kos­ten. Nach der durch die Ge­mein­de­ver­tre­tung am 14. Mai 2013 er­teil­ten Bau­ge­neh­mi­gung und der Er­klä­rung vom 28. Mai 2013 durch den Ge­mein­de­vor­stand der Ge­mein­de Mühltal, dass kein Bau­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren durch­ge­führt werden muss, er­folg­te der Bau­be­ginn für das Bü­ro­ge­bäu­de bereits im Juli 2013. Im März 2014 konnte das In­ge­nieur­bü­ro Golükes In­ge­nieu­re schließ­lich in das nach mo­derns­tem öko­lo­gi­schem Stan­dard er­rich­te­te neue Bü­ro­ge­bäu­de ein­zie­hen.

IDEE FÜR ABWASSERWÄRMENUTZUNG

Der quer über das Grund­stück ver­lau­fen­de Haupt­samm­ler des Ab­was­ser­ver­ban­des Modau brachte Golükes In­ge­nieu­re schon früh in der Pro­jekt­pha­se auf die Idee, eine Ab­was­ser­wär­me­nut­zung für ihr eigenes Bü­ro­ge­bäu­de in Be­tracht zu ziehen. Ziel war es, die Wärme zur Er­zeu­gung von Heiz­en­er­gie aus dem Ab­was­ser­ka­nal zu nutzen. Die ent­spre­chen­de Tech­no­lo­gie ist in Deutsch­land noch wenig ver­brei­tet, während sie ins­be­son­de­re in der Schweiz bereits seit mehr als 30 Jahren bei mitt­ler­wei­le über ein­hun­dert Ge­bäu­den ein­ge­setzt wird. In einer Po­ten­zi­al­stu­die wurden nun die tech­ni­schen Rah­men­be­din­gun­gen von Golükes In­ge­nieu­re ab­ge­klärt: Was­ser­men­ge und Tem­pe­ra­tur im Kanal, Ka­nal­durch­mes­ser, hy­drau­li­sche Aus­las­tung, Abstand des po­ten­ti­el­len Ver­brau­chers, ge­ge­be­nen­falls kon­kur­rie­ren­de vor­ge­schal­te­te Systeme, be­trieb­li­che Ei­gen­schaf­ten des Ka­nal­ab­schnitts und die zu er­war­ten­den Aus­wir­kun­gen auf den Betrieb der Klär­an­la­ge.

Die Be­din­gun­gen dafür waren am neuen Domizil der Golükes In­ge­nieu­re günstig: An die Klär­an­la­ge des Ab­was­ser­ver­ban­des Modau mit einer Aus­bau­grö­ße von 55.000 Ein­woh­ner­wer­ten (EW) sind derzeit rund 45.000 EW an diesem Kanal an­ge­schlos­sen. Der Tro­cken­wet­ter­ab­fluss (Qt) des Kanals beträgt etwa 50 Liter pro Sekunde und die durch­schnitt­li­che Ab­was­ser­tem­pe­ra­tur wurde mit 12 °C ge­mes­sen. Bei einer theo­re­ti­schen Annahme einer Ent­nah­me von 20 KW Leis­tung aus dem Kanal ergab sich eine rech­ne­ri­sche Tem­pe­ra­tur­re­du­zie­rung von 0,1 °C des Ab­was­sers. Eine Tem­pe­ra­tur­ver­min­de­rung in dieser Grö­ßen­ord­nung wäre in der Klär­an­la­ge nicht mehr fest­stell­bar und hätte kei­ner­lei Aus­wir­kun­gen auf die Klärung der Ab­wäs­ser. Auch bei einer Annahme von 30 KW Wär­me­ent­zug aus dem Ab­was­ser könnte die Ba­ga­tell­gren­ze von 0,5 Kelvin Tem­pe­ra­tur­ab­sen­kung noch ein­ge­hal­ten werden.

POLITISCHE UND TECHNISCHE ABKLÄRUNGEN

Zur Rea­li­sie­rung dieser Pro­jekt­idee wurde ein erster Kontakt zum Ab­was­ser­ver­band Modau in dieser Sache bereits im Januar 2013 her­ge­stellt. Der Ab­was­ser­ver­band rea­gier­te positiv und un­ter­stütz­te in der Folge das Projekt in­ten­siv. Schließ­lich ist die Ab­was­ser­wär­me­nut­zung durch En­er­gier­e­cy­cling ein Beitrag zum Kli­ma­schutz und zur Ein­spa­rung fos­si­ler En­er­gie­trä­ger sowie zur Koh­len­di­oxid­re­du­zie­rung.

Bun­des­weit gilt die Ab­was­ser­wär­me­nut­zung im Sinne des EE­Wär­meG als Ab­wär­me­nut­zung. Bisher über­nimmt jedoch nur das Land Ba­den-​Würt­tem­berg hier eine echte Vor­rei­ter­rol­le und de­fi­niert die Ab­wär­me­nut­zung mit dem Einsatz von Wär­me­pum­pen – wozu auch die Ab­was­ser­wär­me­nut­zung gehört – als er­neu­er­ba­re Energie. Theo­re­tisch können durch einen Wär­me­ent­zug von 1 Kelvin aus 1 Ku­bik­me­ter Ab­was­ser 1,16 Ki­lo­watt­stun­den Wärme ge­won­nen werden. Korrekt ge­plan­te, di­men­sio­nier­te, aus­ge­führ­te und be­trie­be­ne Ab­was­ser­hei­zun­gen be­ein­träch­ti­gen weder den Betrieb der Ka­na­li­sa­ti­on noch der Klär­an­la­gen. Zudem handelt es sich bei Ein­hal­tung ver­schie­de­ner An­for­de­run­gen um ein ein­fa­ches und war­tungs­ar­mes Heiz­sys­tem.

Die wirt­schaft­li­che Um­set­zung wurde dann in einer Mach­bar­keits­stu­die für den aus­ge­wähl­ten Stand­ort erfasst. We­sent­lich für einen wirt­schaft­li­chen Betrieb einer Ab­was­ser­wär­me­nut­zungs­an­la­ge sind die Größe des Ge­bäu­des, die be­nö­tig­te Vor­lauf­tem­pe­ra­tur des Heiz­sys­tems und die Distanz vom Ort der Wär­me­ge­win­nung bis zum Ab­neh­mer. Grund­sätz­lich gilt: je tiefer die be­nö­tig­ten Vor­lauf­tem­pe­ra­tu­ren sind und je näher der Ab­neh­mer am Wär­me­ge­win­nungs­ort ist, desto wirt­schaft­li­cher und auch um­welt­freund­li­cher kann die Anlage be­trie­ben werden. Die Wirt­schaft­lich­keit einer Anlage ver­bes­sert sich, wenn die Wär­me­pum­pe zu­sätz­lich auch zur Kühlung im Sommer ein­ge­setzt wird. Positiv wirken sich auch die zu er­war­ten­de lange Nut­zungs­dau­er und die ge­rin­gen War­tungs­kos­ten der Wär­me­tau­scher aus. Die Nut­zungs­dau­er von Wär­me­pum­pen kann mit 15 Jahren und die für Wär­me­tau­scher mit 30 bis 45 Jahren an­ge­nom­men werden.

SYNERGIE-EFFEKTE MIT KANALSANIERUNG

Wird der Einbau der Wär­me­tau­scher im Zu­sam­men­hang mit einer an­ste­hen­den Ka­nal­sa­nie­rung geplant und rea­li­siert, ergeben sich in der Regel zu­sätz­li­che Syn­er­gie­ef­fek­te und damit eine noch­ma­li­ge Ver­bes­se­rung der Wirt­schaft­lich­keit. Dies war auch das Ziel der Golükes In­ge­nieu­re in Mühltal: Erst­mals sollte hier die Technik der Ab­was­ser­wär­me­nut­zung sowie die «ge­schlos­se­ne» Ka­nal­sa­nie­rung mit­ein­an­der kom­bi­niert werden. Die Eva­lua­ti­on mög­li­cher In­dus­trie­part­ner zur Rea­li­sie­rung begann im Februar 2013. So­gleich wurde er­sicht­lich, dass die Firma Bran­den­bur­ger Liner GmbH & Co. KG mit Sitz in Landau/Pfalz der einzige Her­stel­ler von Wär­me­tau­schern ist, dessen welt­weit pa­ten­tier­tes System «Heat­li­ner®» eine Kom­bi­na­ti­on aus Ka­nal­sa­nie­rung und Ab­was­ser­wär­me­nut­zung er­mög­licht. Die Lö­sun­gen von Bran­den­bur­ger waren Golükes In­ge­nieu­re bereits vom Besuch der IFAT, Welt­leit­mes­se für Wasser-, Ab­was­ser-​, Abfall- und Roh­stoff­wirt­schaft, im Mai 2012 bekannt.

Golükes In­ge­nieu­re ent­schie­den sich für die Zu­sam­men­ar­beit mit Bran­den­bur­ger und die Option einer Ver­bin­dung von Ka­nal­sa­nie­rung und Ab­was­ser­wär­me­nut­zung, die in dieser Weise welt­weit zuvor noch nie aus­ge­führt wurde. Auch Bran­den­bur­ger selbst hatte ein starkes In­ter­es­se, seine in­no­va­ti­ve Technik welt­weit erst­mals in einem Pi­lot­pro­jekt zur dau­er­haf­ten Be­hei­zung eines be­wohn­ten Ge­bäu­des ein­zu­bau­en. Beide Pro­jekt­part­ner ar­bei­ten bereits jah­re­lang in der Ka­nal­sa­nie­rung auf hohem Qua­li­täts­ni­veau mit einer ver­trau­ens­vol­len Pro­jek­t­ab­wick­lung zu­sam­men. Vom Sommer bis in den De­zem­ber 2013 wurden die Anlage und ihre Di­men­sio­nie­rung im Detail geplant. Sodann folgte die Ver­trags­un­ter­zeich­nung mit dem Ab­was­ser­ka­nal-​Netz­be­trei­ber, ver­tre­ten durch die Bür­ger­meis­ter der Ge­mein­de Mühltal und der Stadt Ober-​Ram­stadt. Der Vertrag gewährt Golükes In­ge­nieu­re die Nutzung auf 20 Jahre. Weder für die Ge­mein­de Mühltal noch für den Ab­was­ser­ver­band Modau waren damit Kosten ver­bun­den. Im Ge­gen­teil: Der Netz­be­trei­ber hatte durch den Einbau des Ab­was­ser­wär­me­nut­zungs­sys­tems kos­ten­los zwei re­no­vier­te Hal­tun­gen mit einer neuen an­zu­neh­men­den Nut­zungs­dau­er von min­des­tens 50 Jahren be­kom­men.

Bei der Di­men­sio­nie­rung der Anlage ent­schied sich Golükes In­ge­nieu­re für die mo­no­va­len­te Aus­le­gung. Dabei ist die Wär­me­pum­pe al­lei­ni­ger Wär­me­er­zeu­ger und für die voll­stän­di­ge Wär­me­ver­sor­gung des ge­sam­ten Ge­bäu­des zu­stän­dig. Mo­no­va­len­te Anlagen müssen nicht nur auf den käl­tes­ten Tag im Nor­mal­fall aus­ge­legt werden sondern auch für Ex­trem­fäl­le mit wenig Ab­was­ser­an­fall und einer ge­ringst mög­li­chen Ab­was­ser­tem­pe­ra­tur (Tag der Schnee­schmel­ze). Dem­ent­spre­chend müssen diese Anlagen 5- bis 10-mal größer di­men­sio­niert werden als bi­va­len­te Anlagen. Das Bü­ro­ge­bäu­de von Golükes In­ge­nieu­re umfasst rund 900 Qua­drat­me­ter zu be­hei­zen­de Fläche und wird zu 100 Prozent über die Ab­was­ser­wär­me­nut­zung mit Wärme ver­sorgt. Der Wär­me­be­darf des ge­sam­ten Ge­bäu­des beträgt rund 20 KW. Seine Fuß­bo­den­hei­zung ist mit einem Puf­fer­spei­cher mit 1000 Liter Ka­pa­zi­tät aus­ge­stat­tet.

EINBAU DES WÄRMETAUSCHERS IM DEZEMBER 2013

Der Wär­me­tau­scher, das System Heat­li­ner® von Bran­den­bur­ger, wurde schließ­lich Mitte De­zem­ber 2013 von der Firma Kilian Ka­nal­sa­nie­rung GmbH aus Fürth/Odw. in den Ab­was­ser­ka­nal ein­ge­baut. Hierfür war eine um­fang­rei­che Was­ser­hal­tung er­for­der­lich.

Der Einbau in den Be­ton­ka­nal DN 900 er­folg­te über zwei Hal­te­run­gen à 45 m Länge, also mit einer Ge­samt­län­ge von 90 m. In den beiden End­schäch­ten, die sich am jeweils äußeren Rand des Grund­stücks be­fin­den, wurden die schwar­zen Ka­pillar­mat­ten mit­ein­an­der ver­bun­den.

Vor- und Rück­lauf­ka­pil­la­ren sind halb­sei­tig ge­trennt. Im Mit­tel­schacht direkt vor dem Eingang des Bü­ro­ge­bäu­des be­fin­den sich die Sam­mel­lei­tung und die Mess­ein­rich­tun­gen. Die Ver­bin­dun­gen der Ka­pil­la­re in den Schäch­ten und auch die An­bin­dun­gen an die Sam­mel­lei­tun­gen wurden von Bran­den­bur­ger im Januar 2014 durch­ge­führt. Im Februar 2014 er­folg­te die Ver­le­gung der Wär­me­lei­tung vom Schacht zum Bü­ro­ge­bäu­de. Für die zeit­gleich aus­ge­führ­te An­la­gen­in­stal­la­ti­on der Wär­me­pum­pen und der Lei­tun­gen in der Heiz­zen­tra­le im Keller des Ge­bäu­des war die Firma Plößer Haus­tech­nik GmbH & Co. KG mit Sitz in Mühltal zu­stän­dig. Zum Einsatz kam eine Steue­rungs­tech­nik von Stie­bel-​El­t­ron.

KANALSANIERUNG MITTELS SCHLAUCHLINER

Mit dem Heat­li­ner® hat Bran­den­bur­ger ein Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, bei dem in Ver­bin­dung mit einer Ka­nal­sa­nie­rung mittels Schlauch­li­ner die Vor­aus­set­zun­gen für die Wär­me­ge­win­nung aus Ab­was­ser ge­schaf­fen werden. Der Heat­li­ner® besteht aus einem Au­ßen­li­ner (Bran­den­bur­ger-​Li­ner zur Ka­nal­sa­nie­rung), einer Wär­me­tau­scher­mat­te in der Ka­nal­soh­le als Ab­sor­ber zur Wär­me­rück­ge­win­nung sowie einem In­nen­li­ner (Bran­den­bur­ger-​Li­ner zur Fi­xie­rung und zum Schutz der Wär­me­tau­scher­mat­te).

Bran­den­bur­ger Heat­li­ner® können in nicht be­geh­ba­re Kanäle von DN 300 bis DN 1000 ein­ge­baut werden. (Fotos 11-12) Dabei ent­steht eine geringe Quer­schnitts­ve­r­en­gung zwi­schen vier und 8 Prozent. Die Ab­was­ser­tem­pe­ra­tur muss min­des­tens etwa 9 °C be­tra­gen ab einem Tro­cken­wet­ter­ab­fluss von min­des­tens etwa 8 Liter pro Sekunde. Der mög­li­che En­er­gie­ge­winn beträgt zwi­schen 5 und 20 KW pro Haltung. Je höher die Ab­was­ser­tem­pe­ra­tur, desto höher kann mit einer pro­por­tio­na­len Zunahme die ent­nom­me­ne Leis­tung aus­fal­len. Auch mit einer zu­neh­men­den Ka­nal­län­ge kann die Leis­tung fast in einer pro­por­tio­na­len Zunahme ge­stei­gert werden.

Bran­den­bur­ger be­schreibt den Einbau wie folgt: Nach allen er­for­der­li­chen Vor­ar­bei­ten für die Schlauch­li­n­er­sa­nie­rung wird der Au­ßen­li­ner mittels einer Seil­win­de in den Kanal ein­ge­zo­gen, mit Druck­luft auf­ge­stellt und durch UV-​Licht aus­ge­här­tet. Der Au­ßen­li­ner über­nimmt die Aufgabe der Re­no­vie­rung des de­fek­ten Kanals und muss so be­mes­sen werden, dass er den sta­ti­schen An­for­de­run­gen ent­spricht. Im zweiten Schritt wird die Wär­me­tau­scher­mat­te in die Rohr­soh­le ein­ge­zo­gen. Nun wird der In­nen­li­ner in­stal­liert. Der In­nen­li­ner kann dünn­wan­dig gewählt werden, da er keine sta­ti­sche Funk­ti­on mehr über­neh­men muss. Wie der Au­ßen­li­ner wird er mittels einer Seil­win­de in den Kanal ein­ge­zo­gen, mit Druck­luft auf­ge­stellt und durch UV-​Licht aus­ge­här­tet.

Zuletzt wird der Vor- und Rück­lauf­an­schluss aus dem Schacht zur Wär­me­pum­pe an­ge­schlos­sen. (Foto 16) Wenn eine Ka­nal­sa­nie­rung nicht er­for­der­lich ist, aber trotz­dem Wärme aus Ab­was­ser ge­won­nen werden soll, ist es selbst­ver­ständ­lich möglich, das System ohne Au­ßen­li­ner zu in­stal­lie­ren.

MONITORING ZUM FUNKTIONSNACHWEIS

Nach dem Einbau des ge­sam­ten Systems star­te­te die Pro­jekt­pha­se des Mo­ni­to­rings. Dabei sollen die ge­sam­ten Pro­zess­da­ten un­mit­tel­bar erfasst und pro­to­kol­liert werden, um eine saubere Do­ku­men­ta­ti­on der An­la­gen­leis­tung und ihrer Wirkung zu er­hal­ten. Dies ist auch not­wen­dig, um ge­ge­be­nen­falls in den Prozess steu­ernd ein­zu­grei­fen, sofern die Anlage nicht die ge­wünsch­te Funk­ti­on zeigt. Au­ßer­dem können durch wie­der­hol­te re­gel­mä­ßi­ge Durch­füh­rung des Mo­ni­to­rings anhand von Er­geb­nis­ver­glei­chen Schluss­fol­ge­run­gen über An­la­gen­leis­tung und Wirkung bei­spiels­wei­se zu ver­schie­de­nen Jah­res­zei­ten oder bei un­ter­schied­li­chen Ab­was­ser­durch­fluss­men­gen gezogen werden.

Der Einbau von ent­spre­chen­den Mess­in­stru­men­ten für Vo­lu­men­strom und Tem­pe­ra­tur im Ka­nal­schacht er­folg­te durch die Firma bgu-​Um­welt­schutz­an­la­gen GmbH mit Sitz in Bretz­feld. Die Vi­sua­li­sie­rung der Mess­da­ten und Mes­sun­gen im Lei­tungs­netz (Gebäude) wurde von der Olaf Dirkes Anlagen und Steue­rungs­tech­nik GmbH in Mühltal durch­ge­führt. Für die Ver­ka­be­lung der ge­sam­ten Anlage mit ihren Pumpen, Mess­ge­rä­ten usw. war die BFS Elektro GbR mit Sitz in Mühltal zu­stän­dig. In der Hei­zungs­an­la­ge im Un­ter­ge­schoss des Ge­bäu­des wurden zudem zwei Wär­me­pum­pen des Typs Stie­bel-​El­t­ron WPF 10 M im Kas­ka­den­be­trieb mit je 10 KW Leis­tung ein­ge­baut. Die Wär­me­pum­pen er­mög­li­chen im Sommer eine passive Kühlung durch Um­kehr­be­trieb, wenn das Ab­was­ser kälter ist als die Au­ßen­tem­pe­ra­tur.

FERTIGSTELLUNG UND ERSTE ERFAHRUNGEN

Der Einbau der ge­sam­ten Anlage konnte im August 2014 fertig ge­stellt werden. Im darauf fol­gen­den Monat wurde die Anlage mit Beginn der Heiz­sai­son in Betrieb ge­nom­men. Die erste voll­stän­di­ge Heiz­pe­rio­de über den Winter 2014/2015 verlief ohne eine einzige Störung. Derzeit läuft die zweite Heiz­pe­rio­de, eben­falls ohne jeg­li­che Stö­run­gen. Auch die selb­stän­di­ge Um­stel­lung von Sommer- auf Win­ter­be­trieb er­folg­te rei­bungs­los durch die An­la­gen­steue­rung.

Wie er­war­tet, konnte im Betrieb ein hoher Wir­kungs­grad erzielt werden. Dabei wird der Wir­kungs­grad über den COP-​Wert der Wär­me­pum­pe er­mit­telt: Der COP-​Wert gibt das Ver­hält­nis zwi­schen pri­mä­rer und se­kun­dä­rer Energie wieder, d.h. zwi­schen der Energie aus dem Ab­was­ser (als En­er­gie­quel­le) und der Fremd­en­er­gie, welche die Wär­me­pum­pe be­nö­tigt, um das nied­ri­ge in ein hohes Tem­pe­ra­tur­ni­veau zu wandeln. In der Regel wird dafür elek­tri­scher Strom ein­ge­setzt, so auch bei Golükes In­ge­nieu­re.

Je höher der COP-​Wert, desto besser ist das Ver­hält­nis zwi­schen pri­mä­rer und se­kun­dä­rer Energie und desto ge­rin­ger ist der Fremd­en­er­gie­be­darf. Der bislang ge­mes­se­ne COP-​Wert liegt im Mittel bei an­nä­hernd 5 Punkten.

Das Dia­gramm zeigt eine will­kür­lich fest­ge­leg­te Mess­pha­se für den COP-​Wert der Wär­me­pum­pe vom 12. Oktober bis zum 4. No­vem­ber 2015. Der COP-​Wert liegt im Mittel bei an­nä­hernd 5 Punkten.

ERGEBNISSE AUS DEM MONITORING

Seit der In­be­trieb­nah­me der Ge­samt­an­la­ge im Sep­tem­ber 2014 bis zum 10. No­vem­ber 2015 haben Golükes In­ge­nieu­re 31.302 kWh (pri­mä­rer) Energie aus dem Ab­was­ser ge­won­nen und zu­sam­men mit der Fremd­en­er­gie von 8.105 kWh eine Ge­samt­men­ge von 39.376 kWh (se­kun­dä­rer) Wär­me­en­er­gie «pro­du­ziert». Hätte man die gleiche Menge (se­kun­dä­re) Energie mit ge­wöhn­li­chem Heizöl pro­du­ziert, wären dafür 3.940 Liter Heizöl ver­braucht und dabei 12.600 kg Koh­len­di­oxid aus­ge­sto­ßen worden. Bei einer Gas­hei­zung hätten der Ver­brauch bei 3.940 Ku­bik­me­ter Gas und der Koh­len­di­oxid­aus­stoß bei 9.840 kg gelegen. Da Golükes In­ge­nieu­re die Wär­me­pum­pen mit reinem zer­ti­fi­zier­tem Öko­strom be­trei­ben, liegt der Koh­len­di­oxid­aus­stoß per De­fi­ni­ti­on bei an­nä­hernd Null.

Die In­ves­ti­ti­on von rund 50.000 Euro in die Ab­was­ser­wär­me­nut­zung trugen Golükes In­ge­nieu­re und die Wär­me­tau­scher-​Her­stel­ler­fir­ma Bran­den­bur­ger ge­mein­sam. Ge­samt­haft be­lie­fen sich die In­ves­ti­ti­ons­kos­ten für den ge­sam­ten Neubau auf etwa 1,5 Mil­lio­nen Euro, sagte Axel Schön­rock, der für sein In­ge­nieur­bü­ro das Pi­lot­pro­jekt fe­der­füh­rend leitete. Golükes In­ge­nieu­re ist mit der Heizung durch Ab­was­ser­wär­me­nut­zung hoch zu­frie­den. Auch für Bran­den­bur­ger ist das er­folg­reich zu Ende ge­führ­te Projekt ein Mei­len­stein, konnte damit doch be­wie­sen werden, dass der Einbau des Wär­me­tau­scher­sys­tems Heat­li­ner® im Zu­sam­men­hang mit einer an­ste­hen­den Ka­nal­sa­nie­rung in der Praxis pro­blem­los funk­tio­niert.

AUSBLICK

Der Einbau des Wär­me­tau­scher­sys­tems Heat­li­ner® bei Golükes In­ge­nieu­re in Mühltal hat gezeigt, dass bei Vor­lie­gen der pas­sen­den Ge­ge­ben­hei­ten eine win-​win-​Kon­stel­la­ti­on für alle Be­tei­lig­ten ent­ste­hen kann. Vor allem könnten Kom­mu­nen durch den Einbau von Wär­me­tau­scher­sys­te­men un­mit­tel­bar nutz­ba­re Heiz­en­er­gie er­zeu­gen und somit künftig not­wen­di­ge Ka­nal­sa­nie­run­gen quer­fi­nan­zie­ren. Dabei könnte die Heiz­en­er­gie ent­we­der direkt ver­kauft oder die Nutzung des Kanals ver­pach­tet werden. Die Kom­mu­nen sind auf­ge­ru­fen, zu­nächst Po­ten­ti­al­k­ar­ten zu er­stel­len, an welchen Orten in ihren Ab­was­ser­ka­nal­sys­te­men ent­spre­chen­de Vor­aus­set­zun­gen für den Einbau von Wär­me­tau­scher­sys­te­men vor­lie­gen. An­schlie­ßend wären die dort an­säs­si­gen An­lie­ger über diese öko­lo­gi­sche und wirt­schaft­li­che Al­ter­na­ti­ve zur Wär­me­en­er­gie­er­zeu­gung bei der nächs­ten an­ste­hen­den Hei­zungs­er­neue­rung zu in­for­mie­ren. Even­tu­ell ließen sich für solche Pro­jek­te auch För­der­mit­tel von Bund, Ländern oder kom­mu­na­ler Ge­biets­kör­per­schaf­ten ein­set­zen. Je­den­falls sollte, auch im Hin­blick auf die ab­seh­bar schwie­ri­ge Um­set­zung der En­er­gie­wen­de, der Markt für Bran­den­bur­gers Heat­li­ner®-​Sys­te­me in den nächs­ten Jahren spürbar wachsen.